Zuhören als Revolution – Warum der Empathy Circle ins 21. Jahrhundert gehört
Wir leben in einer Zeit voller Veränderungen - das fordert uns heraus. Doch genau in solchen Momenten öffnen sich auch Türen für neue Wege des Miteinanders.
Das 21. Jahrhundert lädt uns ein, eine zentrale Frage neu zu beantworten: Wie können wir miteinander im Gespräch bleiben, wenn unsere Erfahrungen, Sichtweisen und Horizonte so verschieden sind?
Was ist ein Empathy Circle?
Ein Empathy Circle ist ein einfaches, aber kraftvolles Gesprächsverfahren. Es geht nicht darum, wer recht hat oder andere zu überzeugen – sondern darum, sich wirklich zu verstehen.
Das Prinzip ist so klar wie wohltuend: Eine Person spricht für wenige Minuten, eine andere spiegelt das Gesagte in eigenen Worten wider. So lange, bis die sprechende Person sich verstanden fühlt. Dann wechseln die Rollen. Alle hören aufmerksam zu, jede:r ist einmal Sprechende:r und Spiegelnde:r.
Eine Gesprächsleitung sorgt dafür, dass die Regeln eingehalten werden, die Struktur gewahrt bleibt und die Redezeiten fair verteilt sind. Gerade diese Klarheit schafft Sicherheit – und eröffnet zugleich den Raum für echte Begegnung.
Schlicht – und zugleich erstaunlich transformativ.
Gesellschaft im Kokon
Veränderung ist wie die Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling: Im Kokon löst sich das Alte auf, während das Neue noch nicht erkennbar ist.
Auch wir als Gesellschaft befinden uns in einem solchen Kokon. Digitalisierung, ökologische Wende, kulturelle Vielfalt und technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz und Automatisierung verändern, wie wir leben, arbeiten und kommunizieren.
Der Empathy Circle kann in dieser Phase zu einem „kommunikativen Kokon“ werden: einem geschützten Raum, in dem wir zuhören, spiegeln und verstehen – bevor wir handeln.
Wenn Ideen zu Begegnungen werden
Der Empathy Circle knüpft an Gedanken an, die schon lange inspirieren:
Hans-Georg Gadamer sprach von der „Horizontverschmelzung“ – Verstehen entsteht, wenn sich die Lebenswelten zweier Menschen überschneiden. Genau das geschieht, wenn wir einander wirklich zuhören.
Harald Gruber & Hildrun Rolff betonen in der Kunsttherapie, dass Begegnung über kulturelle Grenzen hinweg das Fremde und das Eigene in Beziehung setzt. Empathy Circles schaffen genau diesen Resonanzraum – ohne Pinsel und Leinwand, sondern mit Sprache, Stille und Präsenz.
Warum gerade jetzt so wichtig
Vielleicht war die Fähigkeit, zuzuhören, nie so bedeutsam wie heute. Zwischen schnellen Schlagzeilen, lauten Debatten und digitalen Echokammern wirkt ein Empathy Circle fast wie eine kleine Revolution – still, aber tiefgehend.
Er erinnert uns daran, dass wahres Verstehen nicht durch Schlagabtausch entsteht, sondern durch Aufmerksamkeit, Resonanz und gegenseitiges Vertrauen.
Ein Werkzeug für unsere Zukunft
Die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden wir nicht mit einfachen Antworten lösen. Doch wir können lernen, im Gespräch zu bleiben – mit Offenheit, Respekt und Empathie. Der Empathy Circle ist dafür ein Werkzeug: niedrigschwellig, stärkend und heilsam.
Die Methode ist Teil meines Angebotsspektrums und wird von mir mit kunsttherapeutischen Prozessen verbunden – für Familien, Gruppen oder Teams. Ich freue mich darauf, Kommunikation und Kunsttherapie durch den Empathy Circle miteinander zu verbinden – eine Brücke, die nicht nur Verständnis schafft, sondern auch neue kreative Wege öffnet.
Quellen
Valentin, Prof. Dr. Katrin (2023). Empathy Circle. Eine Methode zur Begleitung und Bearbeitung von gesellschaftlichen Transformationsprozessen. Evangelische Hochschule Nürnberg.
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Gadamer, Prof. Dr. Hans-Georg (1960). Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). XVII, 486 S. Altmann, T. (2021): Empathie. In: Wirtz, M. A. (Hg.): Dorsch – Lexikon der Psychologie. Bern: Hogrefe.
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