Pflegende Angehörige stärken: Unterstützung und kreative Wege der Selbstfürsorge mit Kunsttherapie
Wer gilt als Pflegeperson?
In Deutschland spricht man von einer Pflegeperson, wenn jemand einen pflegebedürftigen Menschen nicht erwerbsmäßig, sondern ehrenamtlich und regelmäßig in dessen häuslichem Umfeld versorgt (§ 19 SGB XI).
Das können Ehepartner, Kinder, Enkel, Geschwister, aber auch Freunde oder Nachbarn sein. Wichtig ist, dass die Pflege mindestens 10 Stunden pro Woche an mindestens zwei Tagen erfolgt – ohne Bezahlung wie bei professionellen Pflegediensten.
Beeindruckende Zahlen: Wie viele Pflegepersonen gibt es?
Ende 2023 lebten in Deutschland etwa 5,7 Millionen Pflegebedürftige.
Davon wurden 4,9 Millionen zu Hause betreut.
Rund 3,1 Millionen Menschen erhielten ausschließlich Pflegegeld und wurden überwiegend von Angehörigen gepflegt.
Insgesamt wird die Zahl der pflegenden Angehörigen und nahestehenden Pflegepersonen auf 5 bis 8 Millionen geschätzt.
Diese Zahlen zeigen, wie groß die gesellschaftliche Bedeutung der Pflegepersonen ist – und wie unverzichtbar ihr Engagement für uns alle ist.
Die Herausforderungen der Pflegepersonen
Pflegepersonen leisten Außergewöhnliches. Gleichzeitig bringt diese Rolle enorme Belastungen mit sich:
Körperlich: Heben, Umlagern, Unterstützung bei der Grundpflege – meist ohne professionelle Schulung.
Psychisch: Dauerhafte Verantwortung, Überforderung, Schuldgefühle und Zukunftssorgen.
Finanziell: Einkommensverluste durch Jobaufgabe oder Arbeitszeitreduzierung, Lücken in der Altersvorsorge.
Sozial: Isolation, weniger Freizeit, Rückzug von Freundeskreisen, fehlende Anerkennung.
Organisatorisch: Komplexe Bürokratie und die Koordination von Terminen, Hilfen und Anträgen.
Viele berichten von Erschöpfung, Schlaflosigkeit und dem Gefühl permanenter Anspannung.
Kunsttherapie als Ressource
Einen ermutigenden Ansatz bietet die Kunsttherapie. Beim 5. Nürnberger Forum für Kunsttherapie und Wissenschaft (19./20. September 2025) wurde ihre Rolle intensiv diskutiert.
Das Programm zeigt die breite Anwendung:
in der psychosomatischen Rehabilitation,
in der Begleitung nach Post-COVID-Erkrankungen,
im Umgang mit Adipositas und chronischen Belastungen,
als kreativer Ausdruck bei psychischen Erkrankungen,
sowie in Metaanalysen zur Wirksamkeit künstlerischer Therapien.
Für Pflegepersonen kann Kunsttherapie bedeuten:
Emotionale Entlastung: Gefühle finden Ausdruck.
Stressabbau: Kreative Prozesse fördern Entspannung.
Resilienz stärken: Eigene Ressourcen entdecken.
Perspektivwechsel: Erfahrungen neu einordnen.
Kunsttherapie ist kein Ersatz oder eine schnelle Lösung für ein multifaktorielles Zusammenspiel auf gesellschaftlicher und politischer Ebene, aber eine wertvolle Ergänzung – ein geschützter Raum, in dem Pflegepersonen sich selbst wieder wahrnehmen und Kraft schöpfen können.
Persönliche Erfahrungen und Empfehlung
In meinem beruflichen Alltag als Gesundheits- und Krankenpflegerin bin ich oft mit pflegenden Angehörigen in Kontakt gekommen. Schon in meiner Ausbildungszeit, vor allem während meines Praxiseinsatzes bei einem ambulanten Pflegedienst, habe ich erlebt, wie rastlos viele Angehörige waren – die ständige Verantwortung war deutlich spürbar - körperlich und seelisch. Mich hat das als 18-Jährige sehr beschäftigt - heute schöpfe ich aus Erinnerung und Erfahrung.
Es ist sehr ehrenwert, Angehörige zu pflegen. Oft geschieht es aus Liebe – manchmal auch, weil es aus finanziellen Gründen keine andere Möglichkeit gibt. Gleichzeitig ist es eine Aufgabe, die enorme Kraft fordert und erschöpfen kann.
Deshalb meine Empfehlung:
Suchen Sie den Austausch mit dem Sozialdienst.
Nutzen Sie die Angebote der Pflegeberatungsstellen.
Und überlegen Sie, ob Kunsttherapie für Sie ein Weg sein kann – um sich selbst Raum zu geben, Kraft zu schöpfen und neue Stabilität zu gewinnen.
Pflege bedeutet Verantwortung und Nähe – aber sie darf nicht zur völligen Selbstaufgabe führen! Unterstützung ist wichtig und notwendig. Beratung, Hilfsangebote und kreative Methoden wie Kunsttherapie können den Weg etwas leichter gestalten.
Literatur- und Quellenverzeichnis
Statistisches Bundesamt (Destatis) (2024): Pflege im Jahr 2023: Zahl der Pflegebedürftigen auf 5,7 Millionen gestiegen. Pressemitteilung Nr. 478 vom 10.12.2024. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/12/PD24_478_224.html
Statistisches Bundesamt (Destatis) (2023): Pflege – Zahlen und Fakten. Themenseite Gesundheit. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/_inhalt.html
Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) – Soziale Pflegeversicherung. § 19 „Begriffsbestimmungen“ (Definition der Pflegeperson). Verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__19.html
Programm & persönliche Teilnahme: 5. Nürnberger Forum für Kunsttherapie und Wissenschaft (2025)